„Zum Jahreswechsel kommen nicht nur Raclette oder Fondue, sondern  oft auch Brettspiele auf den Tisch. Fachfrau Nadine Pick spricht über  den neuen Boom in Deutschland und gibt Tipps für den Spieleabend an  Silvester.„
Nadine Pick im Interview mit Henrik Breuer
Quelle: Artikel vom Spiegel Online vom 30.12.2019
SPIEGEL: Frau Pick, die Brettspielbranche boomt – jährlich werden
 in Deutschland inzwischen rund 50 Millionen Spiele verkauft. Welche 
Spiele sind bei Ihnen gerade besonders gefragt?
Nadine Pick: Die aktuellen „Spiele des Jahres“ und „Kennerspiele des Jahres“
 sind immer Zugpferde. Ansonsten sind die großen Trends noch immer 
kooperative Spiele, in denen Menschen miteinander gegen das Spiel 
antreten, sowie Exit- und Escape-Spiele
 in allen Formen. Auch Legacy-Spiele, bei denen etwas Nachhaltiges 
passiert und sich das Brett von Runde zu Runde verändert, liegen im 
Trend.
SPIEGEL: Bemerken Sie in Ihrem Laden den Brettspiel-Boom oder findet das hauptsächlich online statt?
Pick: Wir merken das: Unser Umsatz ist in den letzten fünf Jahren
 jährlich um fünf bis zehn Prozent gestiegen. Anders als viele andere 
Dinge kaufen die Leute Spiele gern im Laden – ohne zu schauen, ob sie 
online womöglich ein paar Euro günstiger sind. Frühere Brettspiel-Booms 
waren eher an markante Titel geknüpft – etwa zur „Siedler von 
Catan“-Zeit in den Neunzigerjahren oder später bei „Carcassonne“. Heute 
setzt eher die Community den Trend.
SPIEGEL: Was ist das für eine Community?
Pick: Es gibt viele Facebook-Gruppen und Instagram-Chats zu 
Spielen. Überall entstehen Spieletreffs. Die Menschen treffen sich 
wieder zum Spielen. In dieser Community herrscht ein reger Austausch, da
 wird über Spieleabende, Strategien, Spielmechaniken diskutiert und 
gefachsimpelt.
SPIEGEL: Lange galt die Brettspiel-Community als Männerdomäne, ist das immer noch so?
Pick: Ich würde schon sagen, dass es zu 75 Prozent Männer sind. 
Häufig von Anfang bis Mitte vierzig, berufstätig, die das nötige Geld 
dazu haben. Es ist ja auch teuer, wenn man sich jede Woche ein Spiel von
 40 Euro kauft.
SPIEGEL: Ist die Kundschaft am Jahresende eine andere?
Pick: Ja. Im Weihnachtsgeschäft kommen zu 50 Prozent Menschen, 
bei denen das zum Fest dazu gehört. Die kommen nur einmal im Jahr und 
kaufen ein, zwei oder drei Spiele für ihre Familie.
SPIEGEL: Kommen noch Menschen in den Laden und fragen nach 
„Mensch ärgere Dich nicht“ und „Monopoly“, oder sterben diese Spiele 
langsam aus?
Pick: Das kommt sogar ziemlich oft vor. Wir haben heute zum 
Beispiel drei „Monopoly“-Spiele verkauft – und nicht etwa, weil wir das 
empfohlen hätten. Es gibt viele Menschen, die nichts anderes kennen und 
einfach nicht über den Tellerrand schauen möchten, was es sonst noch so 
gibt.
SPIEGEL: Seit Jahrzehnten liest man, dass Computerspiele die 
Brettspiele verdrängen würden, das ist offensichtlich nicht der Fall. 
Wie erklären Sie sich das?
Pick: Ich glaube, es gibt da keine Konkurrenz. Wer klassische 
Brettspiele mag, spielt das ja wegen des Gemeinschaftsgefühls. Den 
direkten Kontakt zu Menschen hat man nun mal am Computer nicht, auch 
wenn man online zusammen spielt.
SPIEGEL: Wie kriege ich meine Kinder dazu, sich für ein Brettspiel zu begeistern statt nur die Playstation?
Pick: Selber mitmachen, Vorbild sein, sich mit an den Tisch 
setzen. Man kann nur glaubhaft ein Kind vom Spielen überzeugen, wenn man
 selbst Spaß dran hat und auch mitspielt. Wenn ich selbst nur am 
Smartphone rumspiele, wird es schwierig.
SPIEGEL: Wie fängt man als unerfahrener Spieler am besten an?
Pick: Spielen muss man lernen wie Lesen. Wenn man es als Kind 
nicht vorgelebt bekommt, tut man sich schwer. Für solche Menschen 
benötigt man Spiele, die einen ganz schnell abholen. Wir haben zum 
Beispiel häufig Ehepaare im Laden, deren Kinder gerade ausgezogen sind 
und die jetzt sehr viel Zeit miteinander verbringen müssen und nach 
Beschäftigungen suchen. Ich empfehle in solchen Fällen ein superschnelles Würfelspiel wie „Qwixx“ als Einstieg. Das dauert dann auch nur 15 Minuten, aber meistens wollen die es immer wieder spielen.
SPIEGEL: Was sollte man bedenken, wenn man einen Spieleabend ausrichtet oder an Silvester in netter Runde etwas spielen möchte?
Pick: Der schnelle Einstieg ist auch beim Spieleabend das 
Wichtigste. Nach fünf Minuten Erklärung muss jeder in der Gruppe grob 
verstanden haben, was von ihm oder ihr erwartet wird. Nur so kann man 
die Lust und den Spaß am Spiel wecken. Man sollte sich auch die Gruppe 
genau anschauen. Sind es Pärchen? Sind da viele Schwätzer dabei? Da 
brauche ich etwas Mitreißendes. Wenn ich mir unsicher bin, finde ich Escape-Raum-Spiele
 großartig. Da können die Aktiven was machen und die Passiven können 
sich auch mal berieseln lassen oder nur ein bisschen mitmischen.
SPIEGEL: Haben Sie sonst noch Spiele-Tipps für einen Abend in gemischter Gruppe?
Pick: Wir suchen in jedem Jahr ein paar Spiele raus, zu denen wir
 sagen: „Die kann man mit der Oma unterm Weihnachtsbaum spielen.“ „Just 
One“ ist so ein Spiel, das man sofort mit jedem Menschen spielen kann. 
„Pool Party“ ist ein tolles Aktionsspiel, bei dem man Plastikkarten in 
eine wackelnde Schale schnippen muss. Auch gut geeignet ist „Quiztopia“,
 bei dem man Dinge einschätzen muss und jeder sich total verhauen kann, 
aber niemand bloßgestellt wird. Ein absoluter Geheimtipp ist in diesem 
Jahr übrigens auch „Tiny Towns“: leichte Spielanleitung, hoher 
Wiederspielwert, schönes Design. Es spielt sich gut, man versteht es 
sofort, es hat einen Tetris-Charakter.